September 25, 2015

»Die Rückkehr der Störche«

Hallo an alle, die sich aus welchen Gründen auch immer hierher verirrt haben.

Wie bereits vor ein paar Monaten kryptisch angekündigt, ist es heute endlich so weit. Getreu der Lebensweisheit: »Was lange währt…« – hier also das Cover zu »Die Rückkehr der Störche«:



Bevor ich eine kleine Leseprobe des ersten Kapitels zum Besten gebe, muss ich erst einmal meinen Dank an Josh Feldman aussprechen. Der Autor der Novelle ableYoung, Regisseur/Autor des phantastischen Indie Sci-fi Films Senn und Editor für die für 2016 angekündigte Dokumentation Conlanging: The Art of Crafting Tongues von Britton Watkins, ist nicht nur hinter der Kamera begabt, sondern hat meine Vorstellungen für das Cover wunderbar umgesetzt!

Die düstere Stimmung des Kurzromans vereint diese Szene meiner Meinung nach gekonnt. Josh, thank you so much for the support!

Ohne weiteres, langes Gerede hier also die


L e s e p r o b e

1 Neue Nachbarn

„Was machen die denn bloß?“ Lukas Tellner sah zu seinem Vater auf, der ungläubig aus dem Fenster zum Nachbargrundstück blickte. Seit einer Woche wussten sie von der Ankündigung, dass sich neue Käufer für das Haus gefunden hatten. Vor zwei Tagen war der erste Lieferwagen vorgefahren und schwere Möbel wurden von der Rampe gehievt. Nun hatten sich die Käufer zum ersten Mal der Nachbarschaft gezeigt. Lukas’ Vater war aus einem unerfindlichen Grund nicht begeistert gewesen.

Lukas kamen die neuen Nachbarn sehr freundlich vor. Etwas nervös hatten die Schillings geklingelt und Klara Schilling hatte sich und ihren Mann Gregor mit einem Lächeln vorgestellt und gesagt: „Bevor Sie mit Brot und Salz vor unserer Tür stehen, wollten wir Ihnen zuvorkommen. Denn das ist wirklich nicht nötig. Wir wollen kein Aufheben machen. Wir wollten uns nur kurz der Nachbarschaft vorstellen und alle darauf vorbereiten, worauf sie sich einlassen.“ Dabei hatte sie ihrer Tochter, die ihr bis zu den Hüften reichte, die Hand auf die Schulter gelegt, während sie gleichzeitig ihren Bauch unter dem geblümten Sommerkleid streichelte, der sich sichtbar abhob. Sie hatte geschmunzelt und ihre Tochter hatte das Lächeln höflich nachgeahmt.

Lukas’ Vater hatte angeboten, wann immer sie etwas bräuchten, sie zu ihnen kommen könnten und betont, dass die Nachbarschaft sehr freundlich sei. Lukas bemerkte jedoch, dass er seiner Frau dabei nervös über den Rücken fuhr und ihre Blicke immer wieder zu Frau Schilling schweiften.

Danach waren die Schillings in ihr neues Haus zurückgekehrt. Das Werkeln ging weiter und Lukas beobachtete, wie sich das Verhalten seiner Eltern wandelte. Sie nahmen sich plötzlich viel Zeit, die Gardinen zu richten, an der Spüle vor dem Fenster zu stehen, die Post zu holen oder die Veranda zu fegen. Verstohlene Blicke wurden zum Nachbarhaus geworfen und wann immer das Gespräch auf die neuen Nachbarn fiel, sank ihr Gesprächston zu einem Flüstern.

„Was ist denn?“, fragte Lukas’ Mutter nun und kam zu ihrem Mann ans Fenster. Lukas vertrieb sich weiter die Zeit mit einem Buch, ohne seine Eltern merken zu lassen, dass er sie neugierig aus den Augenwinkeln beobachtete. Sie verhielten sich wirklich merkwürdig in den letzten Tagen. Er verkniff sich jedoch die Frage, was gerade so wichtig dort draußen war. Selbst nicht, als seine Mutter ihren Mann ungläubig anblickte und ein besorgtes Gesicht zeigte. Sie presste ihre Lippen konzentriert zusammen, als müsse sie sich beherrschen, nichts zu sagen und Lukas bemerkte den Ansatz eines Kopfschüttelns.

„Sollten wir mit ihnen reden?“, fragte sein Vater gedämpft.

„Wozu? Denkst du, sie würden auf uns hören? Außerdem bin ich sicher, dass Cornelia das sehr bald übernehmen wird. Was vielleicht besser ist. Sie kann etwas besser durch die Blume reden. Ich würde mich nur verhaspeln und sie würden mich vermutlich für eine stammelnde Wahnsinnige halten.“ Sie legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. „Richard, mach dir nicht allzu viele Gedanken. Es wird sich schon irgendwie regeln. Du hast sie doch gesehen. Es ist noch ein wenig Zeit. Bis dahin ist es vielleicht sogar schon Winter. Dann wird sich das Problem von ganz allein gelöst haben.“

Richard Tellner blickte sich auf einmal sehr verschwörerisch um, als würde er vermuten, dass sie jemand belauschte. Lukas merkte, dass er seit geraumer Zeit keine Seite mehr umgeblättert hatte. Er wechselte die Position, wandte seinen Rücken absichtlich halb zu den Eltern und hörte seinen Vater kaum noch, als dieser gepresst sagte: „Erinnere dich an Webers. Der einbrechende Winter hat ihnen auch nicht geholfen.“

Lukas hörte das ziehende Geräusch seiner Mutter, die scharf die Luft einsog. Irgendwo tief in ihm regte sich ein Gefühl, das ihm ungut aufstieß, als hätte er einen Apfel auf leeren Magen gegessen. Der Name Weber sagte ihm irgendetwas, aber im Augenblick war es nur ein Gefühl, das er nicht näher benennen konnte. Allein, dass er bei seiner Mutter eine solche Reaktion verursachte, machte ihn ein wenig nervös. Ihr Zischen machte das Ganze nicht besser: „Wir hatten uns geeinigt, dass wir sie nicht wieder erwähnen!“

„Du und deine Kaffeeklatschrunde hattet das beschlossen, Elli, nicht ich…“ Er stockte kurz und schien sich plötzlich zu erinnern, dass er noch etwas zu tun hatte. Mit einem Murmeln verschwand er in den Schuppen hinter dem Haus.

Lukas blätterte eine weitere ungelesene Seite um und starrte auf das Buch, ohne wirklich etwas zu sehen. Seine Mutter stand noch eine Weile regungslos am Fenster. Auch sie starrte auf einen unbedeutenden Punkt am Fensterrahmen, bevor sie etwas aufschreckte, sie sich die Hände an den Oberschenkeln abwischte und nach oben ging.

Kaum hatte sich die Tür geschlossen, war Lukas auch schon aus dem Sessel aufgesprungen und zum Fenster gehastet. Er dachte nicht wirklich, noch etwas von dem zu sehen, was seinen Vater so aus der Fassung gebracht hatte. Neugierig spähte er nach draußen: Noch immer war ein Lieferwagen vor dem Haus der Schillings geparkt. Ein kleinerer Wagen einer Malerfirma hatte sich dazu gesellt. In der Einfahrt stand der blaue Fünftürer in der Spätsommersonne und reflektierte das einfallende Licht. Lukas hatte den Wagen als besonders faszinierend empfunden, weil er so ausgesehen hatte, als käme er ständig aus der Waschanlage. Kein Dreck war an ihm zu finden. Keine Schlieren oder Tapsen von Katzen. Keine Kratzer, Werbung oder sonstige Aufkleber, doch jetzt entdeckte er einen an der hinteren Stoßstange, der vor ein paar Tagen noch nicht da gewesen war. Einer dieser Aufkleber, die man in der Stadt in einem Laden für allerhand Klimbim bekommen konnte. Er verkündete: Ein weiteres Baby an Bord … bald.



Die Rückkehr der Störche
Stefan G. Müller
ISBN: 978-1514346686
2. Auflage, 114 Seiten
ca. 31.000 Wörter

Jetzt erhältlich über Amazon, eStore (CreateSpace) und als Kindle